Personalberater brauchen eine sehr gute Menschenkenntnis. Sowohl wenn es um die Auswahl der Kandidaten geht, als auch wenn man den Entscheidern unserer Kunden gegenübersitzt. Aber wenn es um die Wahrnehmung und Einschätzung unseres Gegenübers geht, dann kommt es häufig zu Bewertungsfehlern des Gegenübers. Einige dieser Fehler sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Primacy-Effekt & Recency-Effekt – (übersetzt: der erste und der letzte bzw. aktuellste Eindruck). Untersuchungen haben ergeben, dass bei Gesprächspartnern typischerweise vor allem der erste und der letzte bzw. aktuellste Eindruck im Gedächtnis haften bleibt, was dazwischen passiert, tritt in den Hintergrund. Bezogen auf die Kandidatenauswahl bedeutet das, dass der erste und der letzte Kandidat anders bewertet werden – sei es im positiven oder negativen Sinn – als die „Sandwich-Kandidaten“.

Reihenfolgen-Effekt und Kontrast-Effekt – der Reihenfolge-Effekt hat gewisse Ähnlichkeiten zum Primacy-Effekt, denn ein überzeugender Kandidat gleich zu Beginn eines Auswahlverfahrens, wird unbewusst als Benchmark für die nachfolgenden Kandidaten verwendet. Vom Kontrast-Effekt spricht man dagegen, wenn jeder Kandidat mit seinem Vorgänger und Nachfolger verglichen wird. Kandidaten könnten daher eine schlechte Bewertung bekommen in einem Auswahlverfahren, wenn ihr Vorgänger besonders positiv aufgefallen ist – und umgekehrt.

Pygmalion-Effekt – ist ein in vielen Bereichen (wie z. B. Schüler-Lehrer, Angestellter – Mitarbeiter usw.) auftretender Effekt und bedeutet, dass Gesprächspartner unbewusst im Laufe des Gesprächs versuchen, bei sich selbst die positive oder negative Einschätzung des ersten Eindrucks des Gegenübers zu bestätigen. Bezogen auf ein Bewerbungsverfahren bedeutet das, dass andere Attribute eines Kandidaten möglicherweise ausgeblendet werden.

Similar-to-me-Effekt – Erkennen Personaler im Auswahlgespräch an einem Kandidaten eigene Stärken oder Schwächen wieder, die sie an sich selbst besonders schätzen oder ablehnen, wird dieser Kandidat insgesamt positiver oder negativer beurteilt. Das hat zur Konsequenz, dass Bewerber mitunter besser beurteilt werden als andere, die objektiv die gleichen Qualifikationen mitbringen.

Halo-Effekt (Nimbus-Effekt) – (Halo = Heiligenschein). Übertagen auf Personaler bedeutet der Halo-Effekt, dass oft von einem einzigen positiv oder negativ wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmal eines Kandidaten – quasi wie ein Heiligenschein – auf die Gesamtperson verallgemeinert wird. Alle anderen Persönlichkeitsmerkmale dieses Menschen treten in den Hintergrund. Das kann dazu führen, dass von dem hervorstechenden Merkmal auf weitere Eigenschaften der Person geschlossen wird, ohne dass hierfür eine objektive Grundlage vorliegen muss. Ein Beispiel ist, dass attraktive Kandidaten von Personalverantwortlichen nicht nur als attraktiv wahrgenommen werden, sondern, eben weil sie attraktiv sind, gelten sie zudem oft als besonders erfolgreich, intelligent und kompetent.

Logik-Fehler beruhen auf dem Wenn-Dann-Schema. Wenn beispielsweise ein Kandidat im Vorstellungsgespräch als zurückhaltend wahrgenommen wird, gehen Personaler womöglich gleich davon aus, dass er ein geringeres Durchsetzungsvermögen hat.

Wie können Beurteilungsfehler im Personalauswahlverfahren vermieden werden?

Ganz wichtig zu betonen ist, dass in jedem Schritt eines Bewerbungsprozesses Beurteilungsfehler passieren können – sei es bei der Sichtung der Unterlagen, in Vorstellungsgesprächen oder in Assessmentcentern.

Wenn sich jeder, der mit Personalauswahl zu tun hat, bewusst macht, dass Kandidaten falsch beurteilt werden können, dann sollte man auch die Größe besitzen, seine eigenen Entscheidungen immer wieder zu hinterfragen. Wenn man sich als Personaler im Interview Aussagen von Kandidaten notiert, sollte darauf geachtet werden, zunächst nur die Aussagen und Beobachtungen genau festzuhalten und keinerlei Bewertung vorzunehmen, um so eine möglichst hohe Objektivität zu erzielen. Jeder Personaler sollte nach dem Kandidatengespräch für sich eine Bewertung vornehmen und dafür einen Beleg anhand einer Aussage oder Beobachtung der Kandidaten an der Hand haben.
Ein Rat zum Schluss: hilfreich für die Vermeidung von Beurteilungsfehlern ist, wenn es klare Regeln für das Auswahlverfahren gibt. Wie sind die Anforderungen zu gewichten, wie die Persönlichkeit usw.

Über die Autorin:

Anna-Katharina Schmidt verfügt über langjährige Erfahrung rund um Themen der Personalsuche und –auswahl, Personalentwicklung und Personalmarketing. Ihr Fokus liegt dabei auf kleineren und mittleren Industrieunternehmen, sowie auf Medien-, Immobilien-, Gesundheits- und Dienstleistungsunternehmen. Sie gehört dem Unternehmernetzwerk von Passion for People an.